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EU-Kommission schlägt Abkehr vom Verbrenner-Aus vor - Autoverband: "Wirkungslos"
Die EU-Kommission hat nach langem Drängen der Industrie eine Abkehr vom sogenannten Verbrenner-Aus vorgeschlagen: Auch nach 2035 sollen Autohersteller weiter Verbrenner- und Hybrid-Fahrzeuge auf den Markt bringen dürfen. Der Großteil neu zugelassener Autos soll künftig aber trotzdem elektrisch sein. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) begrüßte die Vorschläge als "richtige Schritte" - der deutsche Autoindustrieverband dagegen kritisierte die Vorschläge scharf; sie seien nur ein "Lippenbekenntnis".
Grundlage für die Kehrtwende sind Änderungen an den EU-Flottengrenzwerten. Diese Obergrenzen legen fest, wie viel Kohlendioxid (CO2) alle Neuwagen eines Herstellers pro Jahr im Schnitt ausstoßen dürfen. Ursprünglich sollten sie 2035 um hundert Prozent - also auf Null - sinken. Die Kommission schlug nun vor, stattdessen eine Senkung um 90 Prozent im Vergleich zu 2021 vorzuschreiben. Damit hätten Autobauer künftig Spielraum und könnten eine Reihe von Hybrid-Fahrzeugen, Range-Extendern, bei denen ein kleiner Verbrenner die Batterie auflädt, und herkömmliche Verbrenner verkaufen.
Die CO2-Emissionen dieser Autos sollen nach Kommissionsangaben ab 2035 mit Einsparungen in anderen Bereichen aufgerechnet werden können - etwa wenn die Autobauer sogenannten grünen Stahl aus Europa in ihren Autos verbauen oder wenn viel Bio-Kraftstoff auf dem Markt ist.
Kanzler Merz lobte: "Mehr Technologieoffenheit und mehr Flexibilität sind richtige Schritte – um Klimaziele, Marktrealitäten, Unternehmen und Arbeitsplätze besser zusammenzubringen." Die Bundesregierung müsse die umfangreichen Vorschläge der Kommission jetzt im Einzelnen prüfen, erklärte er zugleich. Die Änderungen dürften nicht zu mehr Bürokratie führen.
Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) übte hingegen scharfe Kritik: Die von der EU "richtigerweise anerkannte Technologieoffenheit muss mehr als ein Lippenbekenntnis sein. Das ist hier leider nicht der Fall", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Was nach mehr Offenheit aussehe, sei "mit so vielfältigen Hürden versehen, dass es droht, in der Praxis wirkungslos zu bleiben".
Die Verfügbarkeit grünen Stahls und erneuerbarer Kraftstoffe liege "nicht in unserer Macht", kritisierte Müller. Die Industrie sei also auf Entwicklungen angewiesen, die sie nicht beeinflussen könne, wenn sie von den Änderungen profitieren wolle. Für den Automobilstandort Europa sei "heute kein guter Tag".
Europas größter Autohersteller VW dagegen nannte die Vorschläge der Kommission einen "pragmatischen Entwurf", der "insgesamt wirtschaftlich vernünftig" sei. "Sehr positiv" zu bewerten sei der Vorschlag, kleine Elektrofahrzeuge künftig besonders zu fördern.
Diese Förderung solle Autobauer belohnen, die auf kleine, in Europa gebaute Elektroautos setzen. Diese Fahrzeuge sollen laut Kommission bis 2035 im Schnitt für die Grenzwerte stärker gewichtet werden. Ein weiterer Vorschlag soll die Produktion in Europa ankurbeln: Die EU-Mitgliedstaaten sollen staatliche Fördergelder für Dienstwagen an einen Mindestanteil europäischer Elektroautos knüpfen.
Verfehlen die Autobauer die Ziele, drohen Bußgelder. Die Industrie hatte deshalb seit Jahren eine Abkehr von der als Verbrenner-Aus bekannten Regelung gefordert. Um Strafzahlungen zu vermeiden, will die Kommission auch ein Zwischenziel für 2030 aufweichen: Verfehlt ein Autobauer den Grenzwert, soll er dies in den folgenden zwei Jahren noch ausgleichen können.
EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Pläne seien eine Antwort auf die "Schwierigkeiten" der Autoindustrie. Die Probleme seien allerdings größer, mahnte er. "Wer behauptet, Klimagesetze seien die einzige oder sogar die Hauptursache der aktuellen Schwierigkeiten, ignoriert die Realität in der Industrie", sagte er und verwies auf eine stockende Nachfrage und einen technologischen Rückstand im Vergleich zu China.
Die Vorschläge der EU-Kommission gehen nun in die Verhandlungen im Europaparlament und dem Rat der 27 EU-Staaten. Beide Seiten können Änderungen einbringen. Die Verhandlungen dürften einige Monate dauern.
H.Cho--CPN